Festivalprogramm
Symposium und Verleihung Deutscher Fotobuchpreis
– Programmänderungen vorbehalten –
Weitere Veranstaltungen und Ausstellungen
im Rahmenprogramm des Festivals
Eine Frage der Flexibilität
Mit der Dehnbarkeit des Fotografiebegriffs steht auch die Flexibilität des Wahrheitsgehalts einer Fotografie zur Diskussion. Sind analoge Fotoarchive die letzten zuverlässigen Bildzeugnisse? Aber wie groß ist der Interpretationsspielraum, wenn sie Jahrzehnte später gesichtet werden? Und können nicht auch Fakes das materielle Erbe einer ungeschriebenen Geschichte antreten? Selbst wenn sie keine indexikalische Beziehung zum Geschehnis haben, aber gut recherchiert und inszeniert sind? Künstler*innen und ihr freier Umgang mit Materialien sind eine gute Grundlage, um über solche Fragen zu reflektieren, reizen sie doch das Feld, in dem sie sich bewegen, ständig aus.

Ruth Horak
Freie Fototheoretikerin
Wien (A)
Kuratierte Wirklichkeit: Kunst und Dokumentation in Lee Millers Kriegsfotografie
Ab 1944 begleitet die amerikanische Fotografin Lee Miller die 3. US-Armee bei der Befreiung Europas von den Nationalsozialisten. Sie nimmt zerstörte Städte, deren Bevölkerung und befreite Konzentrationslager auf. Einige Bilder sind aktiv gestaltet, andere sind durch die gezielte Anwendung künstlerischer Stilmittel und den Rückgriff auf kunsthistorische Vorbilder einer dokumentarischen Darstellung entrückt – es entsteht eine „kuratierte Wirklichkeit“. Dieser Vortrag entschlüsselt Millers künstlerische Stilmittel, diskutiert ethische Fragen sowie kunst- und fotohistorische Referenzen.

Dr. Katharina Günther
Zentrum für verfolgte Künste | Kuratorin
Solingen
Hat Charles Darwin etwas übersehen?
Der Vortrag wertet die Besucherreaktionen in der Ausstellung »Joan Fontcuberta: What Darwin Missed« aus, wobei Realität und Fiktion nur schwer voneinander zu trennen waren. Die Besucher schwelgten so lange im Glück über die ›unfassbare Schönheit der Natur‹, bis der ›Betrug‹ aufflog. Nach einem Wechselbad der Gefühle zwischen höchstem Entzücken, Verblüffung und nacktem Entsetzen flogen oft die Türen. Wer aber Fontcubertas Konzept oder KI (er)kannte, war gewappnet. Und dann wurde es richtig lustig.

Dr. Christiane Stahl
Alfred Ehrhardt Stiftung | Direktorin
Berlin
»Zeugenschaft«
Ob und wie Fotografien die Wirklichkeit abbilden ist seit Erfindung des Mediums Fotografie Grundlage für die zugehörige theoretische Auseinandersetzung. Doch wie steht es um die praktische Auseinandersetzung? Wie nutzen Künstler*innen fotografische Elemente, um Zeugenschaft in Gemälden oder Skulpturen zu fingieren, Wahrheiten zu vermitteln oder Fiktionen Gewicht zu verleihen? Die Untersuchung widmet sich der ästhetischen Glaubwürdigkeit diverser fotografischer Produkte und derer technischen und bildnerischen Eigenschaften.

Emma Rüther
Freischaffende Künstlerin
Düsseldorf
Podiumsgespräch zur Einführung in die Hauptausstellung »FACT/FAKE«
Christine Erhard, Antonia Gruber, Andrea Grützner und Pola Sieverding führen in einem Podiumsgespräch in die Hauptausstellung ein.
Moderiert von Andy Scholz und Martin Rosner

Ausstellungsgespräch 2025
Christine Erhard, Antonia Gruber, Andrea Grützner und Pola Sieverding
Düsseldorf, Köln, Dresden, Berlin
Licht-Bilden oder fotografisches Erzählen – Welches Narrativ hat Bestand im Anthropozän?
Wie ein Tsunami rauschen grüne Schlagworte über uns hinweg – laut, verheißungsvoll, flüchtig. Fotokunst kann dem etwas entgegensetzen: ein Narrativ, das zwischen Wissenschaftsverdrängung, populären Mythen und ehrlichen Lösungen oszilliert. In der fließenden Zone zwischen Fakt und Fiktion lässt das fotografische Bild Raum für Emotion, Zweifel – und radikale Vorstellungskraft.

Maren Krings
Climate Impact Storytellerin, Fotografin und Autorin
Bad Langensalza
Generische Bilder
Das Generische ist zur neuen ästhetischen Signatur der digitalen Kultur geworden. Doch was bedeutet es, wenn fotografische Bilder zunehmend „generisch“ erscheinen? Wenn Gesichter, Posen oder Bildsprachen nicht mehr aus individuellen Entscheidungen hervorgehen, sondern aus einem Zusammenspiel von Algorithmen, Plattformlogiken und kollektiven Mikrogesten? Der Vortrag zeigt, wie sich die Bedingungen fotografischer Sichtbarkeit verändern – und was das für unser Verständnis von Kreativität, Originalität und Distinktion bedeutet.

Dr. Annekathrin Kohout
Freie Fototheoretikerin und Autorin
Leipzig
Das vibrierende Bild
Fotografie erzeugt nicht nur Bilder, sondern Atmosphären. Vibes verschieben die Grenze zwischen Faktischem und Fiktivem, sie entziehen sich klarer Zuschreibung und eröffnen zugleich neue Formen des Wissens. Anhand der Arbeiten von Neven Allgeier, Cemil Batur Gökçeer, Jenny Schäfer und Iris Winckler und fragt der Vortrag, wie fotografische Stimmungen wirken, warum sie unser Vertrauen in Bilder irritieren – und ob sich in der Schwebe von Evidenz und Ephemerem eine eigene Wissensform zeigt.

Dr. Anja Schürmann
KWI Essen | Permanent Research Fellow
Essen
Verleihung Deutscher Fotobuchpreis 25|26
Auf Einladung vom INTERNATIONALEN FESTIVAL FOTOGRAFISCHER BILDER kamen im September 2025 Foto- und Kunstbuch-Expert*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen, um in der Städtischen Galerie im Leeren Beutel in Regensburg die Einreichungen zum Wettbewerb um den Deutschen Fotobuchpreis zu begutachten.
Aus mehr als 300 Einreichungen wurde eine Nominierten-Auswahl zusammengestellt.
Welcher Titel die Gold-, Silber- und Bronzemedaillen erhält, wird bei der Preisverleihung am Samstag, 22. November 2025 in Regensburg bekannt gegeben als Höhepunkt des Festivals.

Verleihung Deutscher Fotobuchpreis 25|26
Gold-, Silber- und Bronzemedaillen
Regensburg
Zufluchtsorte im Datenmeer – Bemerkungen zum Fotobuch
Auszug aus dem Festvortrag von Hans-Michael Koetzle
Was ist ein gutes Fotobuch? Nach wie vor ringt die Wissenschaft um eine schlüssige Definition. Pragmatisch geht die Frage der einzige deutschsprachige Preis seiner Art an, indem er jährlich eine Fachjury beruft, die in einem inzwischen mehrtägigen Prozess die gedruckte „Ernte“ eines Jahres diskutiert, um am Ende beispielhafte Titel in mehreren Katagorien mit Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze zu bedenken.
Ins Leben gerufen hatte den Preis Mitte der 1970er Jahre der damalige Justizar der Deutschen Kodak, Dr. Karl Steinorth, ein entschiedener Förderer der Fotokultur in Deutschland auf allen möglichen Gebieten, darunter der jährliche „Kodak Fotobuchpreis“ als seine vielleicht wichtigste Initiative, gemeint nicht zuletzt als Fingerzeig auf eine Buchgattung, die es 1975, vor fünfzig Jahren durchaus noch zu adeln galt – und der sich der passionierte Fotobuch-Sammler Karl Steinorth in besonderer Weise verpflichtet fühlte. Er war es auch, der 1984 auf der inzwischen untergegangenen Kölner photokina unter dem Titel „Das gedruckte Photo“ eine erste große, historisch in die Tiefe gehende Ausstellung zum Thema Fotobuch initiiert hatte. Ein Verdienst, das angesichts eines eher bescheidenen Katalogs nie wirklich wahrgenommen wurde.
Mit Karl Steinorths Tod im Jahr 2000, dem Niedergang der Weltmarke Kodak,
des sprichwörtlichen „Gelben Riesen“, war auch das Ende des „Kodak Fotobuchpreises“ besiegelt. Nach einer Phase unter dem Dach des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wurde der „Deutsche Fotobuchpreis“, so inwischen der offizielle Titel, bis 2022 von der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgelobt und durchgeführt. Inzwischen hat er Dank der Initiative von Martin Rosner und Andy Scholz in Regensburg eine neue und hoffentlich sichere, in die Zukunft weisende Heimat gefunden. Schließlich sensibilisiert er für ein „Produkt“ mit gerade in Deutschland großer Tradition und einer ökonomisch nicht unerheblichen Wertschöpfungskette.
Bei allem Respekt vor der Leistung des Regensburger Teams, aller Begeistung für das Medium Fotobuch gilt es allerdings auch zu konstatieren: Das Buch, das Gedruckte überhaupt, befindet sich in der Defensive. Die Digitalisierung und damit Entdinglichung unserer Welt in allen Bereichen schreitet voran. Klassische Verlage kämpfen ums Überleben, Druckereien schliddern in die Insolvenz.
Aber Gottlob, noch ist ein Ende des Buches als genialem Wissensspeicher nicht in Sicht. Das Buch lebt. Vielleicht mehr denn je, wenn man sich die enorme und jährlich steigende Zahl an Einreichungen zum „Deutschen Fotobuchpreis“ vor Augen hält. Hier das in Idee und handwerklicher Exzellez Herausragende auszuzeichnen, ist die Mission des „Deutschen Fotobuchpreises“, dem man, offengestanden, in den Medien etwas mehr Aufmerksamkeit wünschen würde. Denn auch in einem sich wandelnden medialen Umfeld hat das klassische Buch seinen Ort.
So sei zum Abschluss Klaus Wagenbach zitiert, Verleger alter Schule, Italienliebhaber, Genießer, Bibliomane, der nicht müde wurde zu betonen, „dass Bücher aus Tinte und Papier keinen Strom brauchen! Kein Ladegerät und keine Steckdose, kein Update, kein WLAN und überhaupt gar kein Netz. Sie sind und bleiben haltbare Zufluchtsorte aus nachwachsenden Rohstoffen. Man kann sie (und sich an ihnen) festhalten und sie duften sogar.“

»Deutscher Fotobuchpreis 1975-2025«
Hans-Michael Koetzle, Fotohistoriker, Kurator und freier Publizist
München