Hans-Michael Koetzle ist der »Grandseigneur of Photobooks«. Bereits seit den 1990er Jahren ist er immer wieder in der Fotobuchjury. 2022 wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Photographie mit ihrer höchsten Auszeichnung, dem Kulturpreis, ausgezeichnet. Er wurde 1953 in Ulm geboren und studierte Germanistik sowie Geschichte in München. Er arbeitete als Journalist und war Chefredakteur der Zeitschrift Leica World. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Essays über Fotografie.
»Deutscher Fotobuchpreis 1975-2025«
Festvortrag
Zufluchtsorte im Datenmeer – Bemerkungen zum Fotobuch
Auszug aus dem Festvortrag von Hans-Michael Koetzle
Was ist ein gutes Fotobuch? Nach wie vor ringt die Wissenschaft um eine schlüssige Definition. Pragmatisch geht die Frage der einzige deutschsprachige Preis seiner Art an, indem er jährlich eine Fachjury beruft, die in einem inzwischen mehrtägigen Prozess die gedruckte „Ernte“ eines Jahres diskutiert, um am Ende beispielhafte Titel in mehreren Katagorien mit Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze zu bedenken.
Ins Leben gerufen hatte den Preis Mitte der 1970er Jahre der damalige Justizar der Deutschen Kodak, Dr. Karl Steinorth, ein entschiedener Förderer der Fotokultur in Deutschland auf allen möglichen Gebieten, darunter der jährliche „Kodak Fotobuchpreis“ als seine vielleicht wichtigste Initiative, gemeint nicht zuletzt als Fingerzeig auf eine Buchgattung, die es 1975, vor fünfzig Jahren durchaus noch zu adeln galt – und der sich der passionierte Fotobuch-Sammler Karl Steinorth in besonderer Weise verpflichtet fühlte. Er war es auch, der 1984 auf der inzwischen untergegangenen Kölner photokina unter dem Titel „Das gedruckte Photo“ eine erste große, historisch in die Tiefe gehende Ausstellung zum Thema Fotobuch initiiert hatte. Ein Verdienst, das angesichts eines eher bescheidenen Katalogs nie wirklich wahrgenommen wurde.
Mit Karl Steinorths Tod im Jahr 2000, dem Niedergang der Weltmarke Kodak,
des sprichwörtlichen „Gelben Riesen“, war auch das Ende des „Kodak Fotobuchpreises“ besiegelt. Nach einer Phase unter dem Dach des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wurde der „Deutsche Fotobuchpreis“, so inwischen der offizielle Titel, bis 2022 von der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgelobt und durchgeführt. Inzwischen hat er Dank der Initiative von Martin Rosner und Andy Scholz in Regensburg eine neue und hoffentlich sichere, in die Zukunft weisende Heimat gefunden. Schließlich sensibilisiert er für ein „Produkt“ mit gerade in Deutschland großer Tradition und einer ökonomisch nicht unerheblichen Wertschöpfungskette.
Bei allem Respekt vor der Leistung des Regensburger Teams, aller Begeistung für das Medium Fotobuch gilt es allerdings auch zu konstatieren: Das Buch, das Gedruckte überhaupt, befindet sich in der Defensive. Die Digitalisierung und damit Entdinglichung unserer Welt in allen Bereichen schreitet voran. Klassische Verlage kämpfen ums Überleben, Druckereien schliddern in die Insolvenz.
Aber Gottlob, noch ist ein Ende des Buches als genialem Wissensspeicher nicht in Sicht. Das Buch lebt. Vielleicht mehr denn je, wenn man sich die enorme und jährlich steigende Zahl an Einreichungen zum „Deutschen Fotobuchpreis“ vor Augen hält. Hier das in Idee und handwerklicher Exzellez Herausragende auszuzeichnen, ist die Mission des „Deutschen Fotobuchpreises“, dem man, offengestanden, in den Medien etwas mehr Aufmerksamkeit wünschen würde. Denn auch in einem sich wandelnden medialen Umfeld hat das klassische Buch seinen Ort.
So sei zum Abschluss Klaus Wagenbach zitiert, Verleger alter Schule, Italienliebhaber, Genießer, Bibliomane, der nicht müde wurde zu betonen, „dass Bücher aus Tinte und Papier keinen Strom brauchen! Kein Ladegerät und keine Steckdose, kein Update, kein WLAN und überhaupt gar kein Netz. Sie sind und bleiben haltbare Zufluchtsorte aus nachwachsenden Rohstoffen. Man kann sie (und sich an ihnen) festhalten und sie duften sogar.“
Sa.. 22.11.2025
19:20
